Zur Geschichte der Wallfahrt.

In den 70er Jahren gab es in einigen Gemeinden der ehemaligen DDR engagierte Menschen, die auf der Fußwallfahrt von Warschau nach Tschenstochau gepilgert sind. Die Pilger kamen vor allem aus den von Jesuiten geleiteten Gemeinden in Rostock und Dresden, aber auch aus dem Eichsfeld und dem Berliner Raum. Geistige Heimat hatten diese Wallfahrer besonders bei den Jesuiten aus Rostock, St. Josef. Pater Werner Jung SJ und Pater Peter Kegebein SJ.

Als es seit Dezember 1981 durch das Kriegsrecht in Polen unmöglich wurde, von der DDR aus dort mit zu wallfahren, trafen sich einige Pilgerfreunde, um zu überlegen, was nun getan werden konnte. Auch befragte man DDR-weit andere Polen-Wallfahrer, um ihre Meinung zu hören.
Schließlich trafen sich einige Wallfahrer mit Bischof Heinrich Theißing in Schwerin, um mit ihm gemeinsam zu prüfen, was man nun tun könnte. Allen gemeinsam lag am Herzen - resultierend aus der angespannten Lage und den Impulsen aus der Friedensbewegung, ein deutliches Zeichen für den Frieden zu setzen. Mit Bischof Theißing wurde besprochen, dass in dieser konkreten Situation eine Wallfahrt in der DDR ins Leben gerufen werden sollte. "Macht Euch auf den Weg! Ihr seid pilgerndes Volk Gottes!"
Daraufhin gingen P. Werner Jung SJ und P. Peter Kegebein SJ daran, unterstützt von einem kleinen Vorbereitungskreis, die erste Wallfahrt 1982 zu organisieren.

Folgende Prämissen wurden gesetzt:

  1. Um die Verbundenheit mit den Schwestern und Brüdern in Polen zu zeigen, sollte diese Wallfahrt zeitgleich und in vergleichbarer Länge mit der Wallfahrt in Polen stattfinden.

  2. Die Wallfahrt soll Sühnewallfahrt für den Frieden sein - möglichst auch zu einem Marienwallfahrtsort.

  3. Ein Tag dieser Wallfahrt sollte umrahmt sein vom kirchlichen Stundengebet, außerdem sollte täglich die heilige Messe, das Rosenkranzgebet, der "Engel des Herrn" und ein Schriftgespräch dazu gehören.

  4. Um den Buß-Charakter der Wallfahrt zu unterstreichen, sollte es eine Reihe von Wallfahrtsregeln geben: z.B. Teilnahme am täglichen Gebet, Verzicht auf Nikotin, Alkohol und Eis.

  5. Die Wallfahrt sollte offen sein für Christen anderer Konfessionen, der ökumenische Gedanke sollte so praktisch gelebt werden.

Auf Grund der politischen Situation wurden die Vorbereitungen der Wallfahrt auf DDR-Gebiet sehr diskret betrieben. Als Wallfahrtsziel wurde der Marienwallfahrtsort "Klüschen Hagis" im Eichsfeld ausgesucht. Als Ort für den Beginn bot sich Magdeburg an. Unterstützung dabei gab auch der damalige Magdeburger Bischof Johannes Braun.
Bei der ersten Wallfahrt war die Zahl der Teilnehmer auf 100 begrenzt, man wollte erst einmal testen, wie die Behörden reagieren würden.
So trafen sich am 4. August 1982 die ersten Pilger in Magdeburg, St. Petri, um sich gleichzeitig mit den polnischen Pilgern auf den Weg zu machen. Ein Wallfahrer von damals: "Für uns war es eine neue Erfahrung in jeglicher Hinsicht. Öfter gab es Stopps - von den Behörden (Stasi, Polizei) aufgezwungen z.B. zur Feststellung der Personalien aller Teilnehmer. Die vielen Begegnungen mit den Menschen am Rande der Straße, die spürten, dass wir nicht von der FDJ (Jugendvereinigung in der DDR) sind. Die meisten Menschen am Weg standen zu uns eher wohlwollend, unterstützten uns sogar zuweilen ganz spontan mit Speis und Trank. Für uns persönlich war es vor allem die Tiefe der Begegnungen untereinander und das intensive Gebet, was neue Horizonte zu Gott und zu einander öffnete."

So wurde diese Wallfahrt, die aus der Not geboren war, zu einem Segen für das kirchliche Leben in der DDR. Viele Impulse, die auf diesem Weg entstanden sind, wurden in die Gemeinden getragen. Es war, als ob in der Wüste eine Quelle entspringt und aus einem kleinen Samen einen Baum wachsen lässt. Und dieser Baum geht nun ins zwanzigste Jahr!

Besonders wichtig ist: Diese Wallfahrt wurde nie nur als eine Kopie der "Polen-Wallfahrt" gesehen, sie entwickelte sich zu einem eigenen geistlichem Weg. Und auch diese Wallfahrt hat wieder Geschwister bekommen: In Mecklenburg, im Eichsfeld, ja sogar in Guatemala.
Und die Worte des Gespräches mit Bischof Theißing tragen vielfach Früchte: Wir sind pilgerndes Volk Gottes - ob zum Klüschen Hagis, nach Santiago de Compostela oder am Sonntag in die Kirche.