Was hat die Magdeburger Fußwallfahrt mit Guatemala zu tun?
eine zufällige
Begegnung
Im Jahr 1990 - dem ersten Sommer nach der Wende genannten friedlichen
Revolution in Ostdeutschland - nahm neben vielen anderen auch eine Pilgerin
aus Guatemala an der Magdeburger Fußwallfahrt teil. Sie hatte während
eines Deutschland-Aufenthaltes zufällig von dieser Wallfahrt
erfahren und sich spontan entschlossen, mitzugehen. Natürlich haben die
übrigen Wallfahrer sie über ihr Land und die Verhältnisse dort
ausgefragt, und sie hat manches erzählt, auch von den seit 1960 herrschenden
bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen und ihren Ursachen. Sie
selbst fand in der geistlichen Erfahrung des Pilgerweges die Antwort auf eine
Frage, die sie selbst ganz existenziell betraf und die viele Menschen bedrängt:
Was können Christen tun gegen Ungerechtigkeit, Gewalt und Unterdrückung?
Christen in Guatemala und anderen Ländern Lateinamerikas haben zeitweise
keinen anderen Ausweg gesehen als ihrerseits sich am bewaffneten Befreiungskampf
zu beteiligen - mit dem Ergebnis, dass zur sowieso schon herrschenden Not noch
schreckliche Gewaltexzesse hinzukamen, denen Zehntausende zum Opfer fielen.
eine wegweisende Erfahrung
Die Magdeburger Fußwallfahrt ist zu Anfang der 1980er Jahre entstanden
aus der Sehnsucht, angesichts von Unterdrückung und Umweltzerstörung
in der DDR und der akuten Kriegsgefahr durch das Wettrüsten zwischen Ost
und West etwas für Frieden und Gerechtigkeit zu tun: Wir nehmen unser
Land betend unter die Füße. Gewalt und Unrecht sind nicht durch
Gewalt zu überwinden, sondern nur durch gewaltloses Anderssein, das seine
Kraft schöpft aus der Hinkehr zu Gott. Diese Hoffnung hat sich in dem Aufbruch
von 1989 als tragfähig erwiesen - die friedliche Revolution ist nicht denkbar
ohne die jahrelangen Friedensgebete und ähnliche Aktionen - und ohne die
entschiedene Maßgabe Keine Gewalt!, die sich am Evangelium
Jesu Christi orientiert.
eine lebendige Brücke
Die Pilgerin aus Guatemala war von dieser geistlichen Erfahrung zutiefst bewegt
und erkannte in ihr auch eine Wegweisung für sich selbst und die Christen
in ihrem Land. Und auf vielen Fragen, wie es in Guatemala sei und was man tun
könne, sagte sie dann nur: Kommt und seht. Wer sich als
Wallfahrer dorthin auf den Weg mache, sei immer willkommen. Als
Wallfahrer - das heißt: nicht als Tourist, der sich für viel
Geld ein paar schöne Tage macht in einem exotischen Land, wohlbehütet
im klimatisierten Hotel und am bewachten Strand. Wallfahrer sein heißt
das Land kennenlernen, sich einlassen auf Begegnungen, zuhören und hinschauen,
nicht als Besserwisser auftreten oder die Nase rümpfen, Zeit schenken und
Aufmerksamkeit, eine Zeit lang mitleben und sich dabei auch auf
bescheidene Lebensverhältnisse einlassen, miteinander beten, im Licht des
Evangeliums das Land und seine Menschen und natürlich auch den eigenen
Lebensweg anschauen, sich Zeit zur Stille nehmen, auch helfen, wo es nötig
und möglich ist.
Seit 1990 ist inzwischen so mancher Pilger der Magdeburger Fußwallfahrt
der Einladung nach Guatemala gefolgt, meist in kleinen Gruppen, manche auch
einzeln, manche einmal, manche auch schon mehrmals. Einige waren für längere
Zeit dort, um kleinere Projekte zu verwirklichen oder dabei mitzuhelfen. Manche
Freundschaft ist durch diese Begegnungen entstanden.
Und ebenso sind seit den 1990er Jahren immer wieder Freunde aus Guatemala in
Deutschland gewesen, um unser Land kennenzulernen und an der Fußwallfahrt
von Magdeburg zum Klüschen Hagis teilzunehmen, also zusammen mit den übrigen,
zumeist deutschen, Pilgern aufzubrechen - zu Gott hin, aber zugleich auch für
Frieden und Gerechtigkeit in der einen Welt.